Eine Schrift für Dazaga-Gourane-Karra

 

Gemeinsam mit Mitgliedern der Karra-Gourane-Sprachgemeinschaft aus Berlin-Brandenburg haben wir ein Alphabet für die Sprache Dazaga-Gourane-Karra entwickelt, mit dem die Sprecher:innen nun ihre eigene Sprache schriftlich zum Leben erwecken und die reiche Geschichte und kulturelle Identität der Karra-Gourane für zukünftige Generationen festhalten und bewahren können.

Ein Meilenstein, der die Stimmen der Karra-Gourane in die digitale Welt trägt.


Traditionelle Schrift, schwierige Umsetzung

Zunächst entwickelten Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Karra-Gourane-Community ein im Tschad entworfenes Alphabet, das traditionelle Kamelzeichen als Vorbild verwendet, mit Unterstützung der Kommunikationsdesignerin Susanne Zippel (CEO Mittelpunkt•Zhongdian) weiter. Ziel war es, die Schrift sowohl für die digitale Kommunikation als auch für den handschriftlichen Gebrauch verwendbar zu machen.

Diese Version konnte sich bisher in der Sprachgemeinschaft noch nicht durchsetzen. Einer der Gründe hierfür war, dass das Erlernen eines neuen Alphabets für viele erwachsene Lerner:innen ohne pädagogische Unterstützung eine zu große Herausforderung darstellte.

Hintergrund zur Sprache

Dazaga-Gourane-Karra ist eine nilo-saharische Sprache, die hauptsächlich im Tschad, aber auch in Teilen des Niger gesprochen wird. Nach unterschiedlichen Schätzungen liegt die Zahl der Muttersprachler:innen bei bis zu 2.25 Million Menschen. Zusätzlich gibt es eine Community von etwa 150 Personen, die im Raum Berlin-Brandenburg leben. Die Sprache ist für Muttersprachler:innen auf mündliche Kommunikation beschränkt. Für schriftliche Kommunikation hingegen greifen sie entweder auf Arabisch oder Französisch zurück.


Ein neuer Entwurf

Eine neue Version des Alphabets basierte auf der lateinischen Schrift, die die Mitglieder der Berlin-Brandenburger Community in Zusammenarbeit mit Personen im Tschad erstellten. Vorteile der lateinischen Schriftzeichen sind:

  • einfache digitale Umsetzung
  • Für das lateinische Alphabet gibt es bereits Tastaturen
  • Sprecher:innen kennen die Zeichen aus dem Französischen oder Englischen

Das lateinische Alphabet kann allerdings nicht so einfach angewendet werden. Die Sprachgemeinschaft wollte ein sogenanntes phonographisches Alphabet – das heißt, ein Buchstabe wird genau einem Laut zugeordnet. Die Lautvielfalt der Sprache ist jedoch größer als im Lateinischen, sodass weitere Zeichen notwendig sind, um alle Laute abzubilden.

Deshalb wurden die lateinischen Buchstaben mit diakritischen Zeichen kombiniert und Sonderzeichen aus dem Internationalen Phonetischen Alphabet (IPA) hinzugefügt. Solche Sonderzeichen sind jedoch schwerer zu erlernen und haben Nachteile bei der digitalen Implementierung. 


Community und Wissenschaft arbeiten zusammen

Youssouf Mahamat Kerim von der Berlin-Brandenburger Karra-Gourane-Community und Julian A. Rott und Zacharias van Stek aus unserer Arbeitsgruppe Allgemeine Sprachwissenschaft an der Humboldt-Universität entwickelten den Entwurf des Alphabets für Dazaga-Gourane-Karra gemeinsam weiter. Das entstandene Alphabet hat 36 Buchstaben. Zacharias van Stek und Henri Schellberg erstellten für dieses Alphabet digitale Tastaturen für Computer und Smartphones, mit denen die Sprecher:innen leichter schreiben und Textnachrichten verschicken können.

Die Dazaga-Gourane-Karra Handytastatur

Zuordnung von Lauten und Buchstaben

Zunächst haben wir eine lautliche Analyse vorgenommen und die Vollständigkeit des Schriftsystems überprüft. In Zusammenarbeit mit Youssouf Mahamat Kerim wurden dabei die einzelnen Laute der Sprache herausgearbeitet und den Buchstaben zugeordnet. Vor- und Nachteile verschiedener Zuordnungen von Lauten und Schriftzeichen wurden diskutiert und im Hinblick auf Digitalisierung, Erlernbarkeit und kulturelle Aspekte bewertet. Das nun vorliegende Alphabet ist das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses, bei dem die Sprachgemeinschaft die finale Entscheidung getroffen hat.


Das Dazaga-Gourane-Karra Alphabet in der Praxis

Die Republik Tschad hat die Schrift am 18. März 2025 offiziell anerkannt. Nun arbeiten Mitglieder der Sprachgemeinschaft daran, das Alphabet zu erlernen, zu lehren und in der Sprachgemeinschaft zu verbreiten. Dafür erstellt die aktive Community zur Zeit zahlreiche Lernmaterialien, darunter ein Lernvideo und ein Wörterbuch in Zusammenarbeit mit einer Grafikdesignerin. Das Alphabet ist dabei nur der erste Schritt zu einer standardisierten Schreibweise.

Gleichzeitig haben wir die Hoffnung nicht aufgegeben, auch eine traditionelle Schrift auf der Basis von Kamelzeichen zu entwickeln. Gemeinsam mit Susanne Zippel und Youssouf Mahamat Kerim arbeiten wir an einer vereinfachten Form der Kamelzeichenschrift.